Bei Schmerz
Schmerz dient als natürliches Warnsystem unseres Körpers. Akuter Schmerz ist oft wichtig, um Schädigungen zu vermeiden. Ganz anders ist das aber bei chronischen oder immer wieder auftretenden Schmerzen, wenn sie unabhängig von auslösenden Reizen auftreten.
Botulinumtoxin löst Muskelverkrampfungen und lindert so auch die chronischen Schmerzen, die dadurch entstanden sind (myofasziale Schmerzen). Botulinumtoxin wirkt aber offenbar nicht nur am Muskel. Denn die Schmerzen werden oft schneller gebessert als sie die Muskel-Verkrampfung gelöst, und es können auch von der Muskulatur unabhängige Schmerzen wie Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) und Migräne erfolgreich behandelt werden. Die Schmerznerven werden vermutlich auch direkt durch Botulinumtoxin beeinflusst.
Ursache chronischer oder wiederholt auftretender Schmerzen ist auch eine veränderte Empfindlichkeit des Schmerzsystems: durch wiederholte Schmerzreize „merkt“ sich das Nervensystem den Schmerz und reagiert auf kleinste Auslöser mit vermehrten Beschwerden. Dieser Teufelskreis schränkt die Lebensqualität der Patienten enorm ein. Die durch das „Schmerzgedächtnis“ hervorgerufene Überempfindlichkeit kann wahrscheinlich auch durch Botulinumtoxin positiv beeinflusst werden.
Myofaszialer Schmerz
Der myofasziale Schmerz betrifft die Muskulatur, die angrenzenden Sehnen und Faszien. Die Patienten beschreiben zumeist dumpfe Schmerzen sowohl in Ruhe als auch bei Bewegung nach Ruhephasen („Anlaufschmerz“).
Häufig findet man in der genauen Untersuchung druckempfindliche, verhärtete Stellen sogenannte Triggerpunkte, die zumeist im Schulter-Nackenbereich, aber auch im Kopf- und Gesichtsbereich liegen. Von diesen Triggerpunkten können Schmerzen auch in größeren Arealen ausgelöst werden. Neben schmerzhaften Verspannungen und Bewegungseinschränkungen treten so z.B. auch symptomatische Kopfschmerzen auf.
Die Injektion von Botulinumtoxin in die Triggerpunkte beim myofaszialen Schmerz ist ein neuer Therapieansatz. Botulinumtoxin wirkt hier gegen die krankhaft gesteigerte Muskelaktivität, welche für die Schmerzentstehung verantwortlich ist. Zusätzlich beeinflusst Botulinumtoxin auch die Muskelspindeln, die für die körpereigene Rückmeldung der Muskelspannung verantwortlich sind. Weiters können durch die Entkrampfung der Muskulatur die Durchblutung verbessert, und schmerzauslösende Substanzen leichter abtransportiert werden.
Derzeit besteht für Einsatz von Botulinumtoxin in der Behandlung des myofaszialen Schmerzes keine offizielle Zulassung. Das gute Ansprechen zahlreicher Patienten rechtfertigt aber einen Therapieversuch nach Versagen anderer Therapieformen.
Neuropathischer Schmerz
Neue wissenschaftliche Daten zeigen, dass auch Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen), also Schmerzen, die durch eine Schädigung des Nervensystems verursacht sind, auf eine Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin ansprechen können. Das konnte für die Trigeminusneuralgie, Post-Zoster-Neuralgie, Schmerzen nach peripheren Nervenverletzungen und auch für Schmerzen durch die diabetische Polyneuropathie gezeigt werden.
Die Botulinumtoxin-Therapie ist nach meiner Erfahrung besonders bei neuropathischen Schmerzzuständen erfolgreich, bei denen auch eine Überempfindlichkeit auf Berührung und/oder Temperatur vorliegt.
Für die medikamentöse Therapie des Nervenschmerzes stehen eine Reihe wirksamer Medikamente zur Verfügung. Die meisten Patienten können mit den zugelassenen Therapien erfolgreich behandelt werden.
Für den Einsatz von Botulinumtoxin in der Behandlung des neuropatischen Schmerzes besteht keine offizielle Zulassung. Dennoch ist aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage ein Therapieversuch bei Patienten gerechtfertigt, wenn die übrigen Therapieverfahren nicht ausreichend wirksam oder durch Nebenwirkungen eingeschränkt sind.
Migräne
Bei der Migräne kommt es attackenweise zu heftigen, oft einseitigen pulsierend-pochenden Kopfschmerzen. Dabei treten typischerweise auch Begleiterscheinungen wie Ruhebedürfnis, Übelkeit, Licht- oder Lärmempfindlichkeit, und Sehstörungen auf.
Auch bei Migräne wirkt Botulinumtoxin. Insbesondere für die chronische Migräne (Schmerzattacken an mehr als 15 Tagen im Monat) gibt es einen Wirksamkeitsnachweis für Botox. Die Häufigkeit und die Stärke der Anfälle können durch Botox vermindert werden. Andere medikamentöse Behandlungsformen dieser Erkrankung - vor allem klassische Schmerzmittel – können zu Nebenwirkungen und häufig sogar zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen führen.
Mittlerweile ist Botulinumtoxin (Botox®) für besondere Formen der Migräne in den USA und Europa zugelassen. In den wissenschaftlichen Studien wurde ein spezielles Injektionsschema entwickelt, das an den individuellen Patienten angepasst werden kann. Die Therapie der Migräne mit Botox ist eine effektive und nebenwirkungsarme Alternative zu herkömmlichen Therapieverfahren.
Durch meine Spezialisierung auf Schmerzerkrankungen und die Therapie mit Botulinumtoxin gewährleiste ich, dass die Indikationsstellung und Behandlung der Migräne dem letzten Stand der Wissenschaft und meiner langjährigen Erfahrung entspricht. (ORF-Beitrag 22.09.2012)
Ungefähr 2/3 meiner Patienten sprechen gut bis ausgezeichnet auf die Therapie an. Die Kopfschmerzattacken sind zumeist deutlich reduziert oder verschwinden vollständig. Eine Wiederholungsbehandlung ist in ca. 3-5 Monaten notwendig. Belastende und bleibende Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten. Bei höheren Dosen kann eine lokale Muskelschwäche auftreten. Im Gesicht kommt es durch die Behandlung als „Nebenwirkung“ zu einer Faltenreduktion, die auch als unangenehm empfunden werden kann.